Transsexuellengesetz
Ein Antrag von Abgeordneten der SPD/ FDP aus dem Jahre 1976 (Bundestagssache 7/4940) und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 1978 (1 BvR 16/72) führten dazu, dass das Transsexuellengesetz (TSG) 1980 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde und am 1. Januar 1981 in Kraft trat.Seine Intention ist es, Menschen, welche eine von ihrem bei der Geburt festgestellten Geschlecht abweichende Identität haben, die Möglichkeit zu eröffnen, in der passenden Geschlechtsrolle leben zu können. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied 2002 im Fall Goodwin vs U.K. einen post-op-transsexuellen Menschen als dem neuen Geschlecht zugehörig anzuerkennen (vgl. NJW-RR 2004, 289 Rn89-93).
Nach mehreren Entscheidungen des BVerfG ist eine Reform des TSG überfällig geworden.
- BVerfG 1 BvR 938/81 zur Altersgrenze bei der Personenstandsänderung
- BVerfG 1 BvL 38/40, 43/92 zur Altersgrenze bei der Vornamensänderung
- BVerfG 1 BvL3/03 zum Wegfall des geänderten Vornamens bei Heirat
- BVerfG 1 BvL 1/04, 12/04 zur Anwendbarkeit des TSG für Ausländer
- BVerfG 1 BvL 10/05 zum Erfordernis der Ehelosigkeit für die Personenstandsänderung
- BVerfG 1 BvR 3295/07 zum Erforderins der geschlechtsangleichenden Oeration zur Personenstandsänderung
- BVerfG 1 BvR 2027/11 zur Aussetzung der Verfahren bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber
a) Das Verfahren gemäß § 4 TSG
Es unterliegt der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), die Beteiligten werden als Verfahrensbeteiligte (Antragsteller) und nicht als „Kläger bzw. Beklagte“ bezeichnet. Es besteht kein Anwaltszwang und die Verhandlungen sind nicht öffentlich. Entscheidungen ergehen durch Beschluss oder Verfügungen, das Gericht muss von Amts wegen ermitteln. Dies bedeutet, dass in den meisten Fällen im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens eine Beiordung eines Anwalts abgelehnt wird. Die Beiordnung muss dann besonders begründet werden.
Man kann in dem Antrag seine Wunschgutachter benennen. Das Gericht ist zwar nicht gezwungen diese zu nehmen wird es aber in der Regel tun.
Viele Verfahren nach TSG laufen über Prozesskostenhilfe (PKH). Je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen wird diese mit oder ohne Ratenzahlung bewilligt.
aa) Altersgrenze: Das TSG konnte ursprünglich nur von Personen von über 25 Jahren in Anspruch genommen werden. Dies wurde vom BVerfG für verfassungswidrig (für die Personenstandsänderung im Jahr 1982: BVerfGE 60, 123, für die Vornamensänderung im Jahr 1993: BVerfGE 88, 87) erklärt und infolgedessen wurden die diesbezüglichen Vorschriften nicht mehr angewendet,der Gesetzgeber änderte das TSG zunächst nicht. Erst der im Jahr 2007 geänderte § 1 TSG enthält keine entsprechende Einschränkung mehr.
Dennoch kann es bei Gerichten Probleme geben, wenn die antragstellende Person sehr jung ist.
bb) Rechtsstellung von Ausländern: Der Anwendungsbereich des TSG war zunächst auf Deutsche im Sinne des Grundgesetzes (GG) und anerkannte Asylberechtigte eingeschränkt. Das BVerfG (1 BvL 1 und 12 /04, vgl. FamRZ 2006, 1818) entschied im Jahr 2006, dass diese Einschränkung nicht mit dem Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG – also der Werteordnung des GG – vereinbar ist.
Im Zuge der Änderung des Passgesetzes (PassG) erweiterte der Gesetzgeber deswegen 2007 den Geltungsbereich des TSG auf jene Ausländer, deren Heimatrecht keine mit dem TSG vergleichbare Regelung kennt.
Die Neuregelung des § 1 TSG bewirkt allerdings nicht, dass die Namens- und/oder Personenstandsänderung im Heimatstaat des Ausländers Gültigkeit haben, sofern es keine entsprechenden Vereinbarungen gibt.
Das Verfahren kann zudem durch die Prüfung, ob das Heimatrecht des „Ausländers“ keine vergleichbare Regelung kennt, durchaus erheblich verzögert werden. Zudem ist nicht immer klar, was eine dem TSG vergleichbare Regelung ist. Hier hätte der Gesetzgeber das TSG generell für Ausländer öffnen sollen.
cc) Beteiligte: Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TSG ist die Beteiligung des Vertreter des öffentlichen Interesses (VÖI) vorgesehen. Dieser vertritt die Interessen des Landes bzw. von Landesbehörden bei Verfahren nach dem TSG. Die Befürchtung des Gesetzgebers war, dass das Verfahren missbräuchlich in Anspruch genommen werden könnte. In der Praxis ist uneinheitlich geregelt, welche Behörde eigeschaltet werden muss (beispielsweise der Regierungspräsident oder die Staatsanwaltschaft). Die Beteiligung des VÖI führt zurzeit noch zu einer nicht unerheblichen Verzögerung des Verfahrens, bei einer Reform des TSG würde sie deswegen aller Wahrscheinlichkeit nach gestrichen ( Vgl. BTag-Innenausschuss 2007 Protokoll Nr. 16/31 S. 23 f., wo die Vertreter des BMI und die Innenministerien der Länder den Verzicht auf den VÖI ebenfalls befürworten).
dd) Auch Intersexuelle können das TSG in Anspruch nehmen. Medizinisch ist Intersexualität ein Ausschlusskriterium, das hat allerdings keine Bedeutung für das rechtliche Verfahren. Hier spricht das Gesetz nur davon, dass die transsexuelle Person sich nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig fühlt.
Das TSG schließt als Spezialgesetz die Anwendbarkeit des Namensänderungsgesetzes (NamÄndG) aus.
b) Vornamensänderung und Personenstandsänderung:
a) Am 11. Januar 2011 hat das BVerfG (1 BvR 3295/07) entschieden, dass die in § 8 Abs. 1 Nr. 3 & 4 Transsexuellengesetz (TSG) geforderte geschlechtsangleichende Operation und Sterilisation gegen den eigenen Willen des/der Transsexuellen eine nicht gerechtfertigte Verletzung der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs.1 GG) darstellt.
Die Folge der Entscheidung ist, dass die Voraussetzungen für Namensänderung und Personenstandsänderung zurzeit identisch sind. Dies wurde durch eine erneute Entscheidung des BVerfG (1 BvR 2027/11) bestätigt.
Mit der Vornamensänderung sollte man gleichzeitig die Personenstandsänderung beantragen.Eine Verbindung nach § 9 TSG ist dann nicht mehr erforderlich.
Die Voraussetzungen der Vornamensänderung findet man in § 1 TSG. Vornamen können auf Antrag vom dem zuständigen Gericht geändert werden, wenn die betroffene Person folgende Voraussetzung erfüllt:
Sie muss sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfinden
und
seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang stehen, ihren Vorstellungen entsprechend leben zu müssen.
Schon der Wortlaut der Vorschrift gibt her, dass dies nicht bedeutet, seit drei Jahren in der entsprechenden Rolle auch gelebt haben zu müssen (so aber falsch z.B. Heinrichs/ Ellenberger in Palandt BGB Kommentar 67. Auflage 2008 § 1 Rn. 12). Zuweilen wird dieses sowohl von Gerichten als auch von Gutachtern offensichtlich zu Unrecht gefordert.
b) Vom Gericht werden zwei unabhängig voneinander tätige Sachverständige beauftragt, die auf Grund ihrer Ausbildung und beruflichen Erfahrung mit den Problemen der Transsexualität ausreichend vertraut sind. Diese müssen in ihren Gutachten auch dazu Stellung nehmen, wie gefestigt nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden der Betroffenen zu dem „anderen Geschlecht“ ist; die Vornamensänderung darf nur erfolgen, wenn es sich das Zugehörigkeitsempfinden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird. Entscheidend für die Beurteilung ist die Meinungsbildung des Gerichts, das sich – zumindest theoretisch – auch über die Gutachten der Sachverständigen hinwegsetzen könnte.
c) Wirkungen der Vornamensänderung:
Die Vornamensänderung allein (!) hat keinen Einfluss auf die rechtliche Geschlechtszuordnun. Allerdings besteht die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag im Reisepass dem Vornamen entsprechend anzupassen. Die „kleine Lösung“ ermöglicht das Auftreten im Rechtsverkehr als dem anderen Geschlecht zugehörig. Weitere geschlechtsspezifische Rechte, wie beispielsweise, ob man eine Ehe oder eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen darf, kann man daraus nicht ableiten. Hierin könnte also ein Grund liegen, ob man mit der Vornamensänderung gleichzeitig die Persoenstandsänderung beantragt oder nicht.
Der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde wird dementsprechend nur bei der Vornamensänderung auch nicht geändert. Auf Antrag können Transsexuelle aber eine Geburtsurkunde auch ohne Geschlechtsvermerk ausgestellt bekommen, so § 59 PStG.
Die Wirkungen der Vornamensänderung sind in rechtlicher Hinsicht weniger „dramatisch“, als es den Anschein hat. Denn bereits vor Rechtskraft der Namensänderung ist das Auftreten in der neuen Identität durchaus zulässig, sei es mündlich, schriftlich, privat oder behördlich. Sofern keine Täuschungsabsicht besteht, ist demzufolge auch vor der Vornamensänderung ein soziales Leben mit dem neuen Namen unter gewissen Einschränkungen möglich. Dies ergibt sich daraus, dass Vorname und Geschlecht in der Regel für die überwiegende Zahl der gesellschaftlichen Vorgänge rechtlich nicht erheblich sind. Ganz anders im sozialen Bereich, hier ist der Name Ausdruck der persönlichen Identität. Rechtlich spielt es allerdings keine Rolle, ob ein “Herr” oder eine “Frau” Schmidt einen Kaufvertrag schließt.
Eine wichtige Ausnahme ist allerdings die Führung eines Bankkontos (§ 154 AO); hier muss der “amtliche” Vorname angegeben werden. Problematisch kann es auch immer dann werden, wenn man sich ausweisen und seine Identität nachweisen muß, z.B. bei Polizeikontrollen oder bei Zahlungen mit der Kredit- oder EC-Karte, die auf den “amtlichen” Namen ausgestellt sind. Bei Zustellungsverzögerungen, z. B. von Mahnungen, Rechnungen oder gerichtlichen Aufforderungen und Ladungen, kann es unter Umständen auch zu Schadensersatzansprüchen kommen, wenn mit dem “nicht amtlichen” Namen agiert wurde.
Obwohl Behörden, Institutionen und Privatpersonen den neuen Namen bereits verwenden können, gibt es einen durchsetzbaren Rechtsanspruch erst nach der Namensänderung; so kann z.B. die dem neuen Vornamen entsprechende Anrede „Herr“ oder „Frau“ erst nach erfolgter Änderung durchgesetzt werden. Nach rechtskräftigem Beschluss über die Vornamensänderung wird beim Sozialversicherungsausweis die Kennzahl der Sozialversicherungsnummer geändert und dem Namen angepasst, man erhält eine neue Rentenversicherungsnummer, auch Ausweispapiere und der KfZ-Schein/ -Brief müssen geändert werden, die übrigen Dokumente können und sollten geändert werden. Nach der Vornamensänderung besteht einen Anspruch darauf Zeugnisse auf den neuen Namen ändern zu lassen.
d) Personenstandsänderung
Beantragt man gleichzeitig mit oder nach der Namensänderung die Personenstandsänderung, so hat dies zur Folge, dass man auch personenstandsrechtlich als dem anderen Geschlecht zugehörig angesehen wird. Eine bestehende Ehe oder Lebenspartnerschaft wird nicht tagiert. Probleme stellen sich allerdings, wenn man beispielsweise eine eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe “umwandeln” will.
e) Problemfelder:
aa) Eine eingetragenen Lebenspartnerschaft steht einer Personenstandsänderung nach § 8 I TSG nicht im Wege. Das TSG umreißt den verfassungsrechtlichen Rahmen für die grundrechtsentfaltung transsexueller Personen. Das BVerfG (1 BvL 10/05) hat in seiner Entscheidung vom 27. Mai 2008 klargestellt, dass § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist. Die personenstandsrechtliche Anerkennung der neuen Geschlechtszugehörigkeit darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Ehe eines verheirateten Transsexuellen zuvor geschieden wird. Da wegen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes jede belastende staatliche Maßahme einer gesetzlichen Grundlage (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) bedarf wäre eine Auflösung der Lebenspartnerschaft über die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten hinaus wegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ohne gesetzliche Regelung auch nicht möglich. Entsprechende Regelungen gibt es nicht. Die Existenz einer eingetragenen Lebenspartnerschaft steht einer personenstandsrechtlichen Änderung nach § 8 TSG nicht entgegen.
Eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit hat keine Beendigung der Lebenspartnerschaft zur Folge. Problematisch ist aber, dass eine Auflösung der Lebenspartnerschaft gar nicht erfolgen kann, da im vorliegenden Fall kein Auflösungsgrund gemäß § 15 Abs. 2 LPartG vorliegt. Die Partner wollen ihre Partnerschaft ja nicht trennen, sondern sie wollen gerade heiraten. In diesem Zusammenhang wäre das Fingieren eines Trennungswillens nicht zumutbar.
Hinzu kommt, dass die Eheverbote abschließend in §§ 1306 ff BGB geregelt sind. Zwar handelt es sich bei Lebenspartnerschaft und Ehe um Rechtsinstitute mit ähnlicher Ausrichtung, jedoch trifft § 1306 BGB eine eindeutige Regelung. Danach kommt eine eingetragene Lebenspartnerschaft als Ehehindernis nur dann in Betracht, wenn zwischen einer der Personen, welche eine Ehe begründen wollen, und einer dritten Person eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft besteht. Bei verpartnerten Menschen ist dies aber nicht der Fall, sodass eine eingegangene eingetragene Lebenspartnerschaft bereits dem Wortlaut nach nicht vom Anwendungsbereich des § 1306 BGB erfasst wird. Für eine analoge Anwendung des § 1306 BGB ist kein Raum, denn der Gesetzgeber hat im Zuge der Reform des Lebenspartnerschaftsgesetzes die geltende Regelung bewusst gewählt (vgl hierzu Palandt Brudermüller LPartG § 1 Rn 6, BVerfG NJW 2002, 2543, 2547 m.w.N.).
Die Frage, ob eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit dem Eingehen der Ehe aufgelöst, wird allerdings nicht beantwortet, sie kann allerdings dahinstehen. Dies fällt in die Zuständigkeit des Gesetzgebers fallen. Eine eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen denselben eheschließungswilligen Personen berechtigt daher den Standesbeamten nicht zur Feststellung eines Ehehindernisses (vgl. dazu auch LG Berlin Beschluss vom 21. Januar 2008 84 T 380/07).
bb) Ein weiteres nicht unbedeutendes Problem ist die Tatsache, dass es durch die Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 2011 mehr Transsexuelle geben wird, die ihren Personenstand geändert haben ohne sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen zu haben.
Die große Lösung sichert ab Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Personenstandsänderung die volle Rechtsstellung im neuen Geschlecht als Frau oder Mann, bei Eheschließung, Rente, Berufstätigkeit usw. (§ 10 Abs. 1 TSG). Die Herausforderung die sich nun für den Staat und die Gesellschaft stellt, ist wie man mit den bei der kleinen Lösung auftretenden Problemfeldern umgeht. Zu denken sind an Probleme mit Arbeitsschutzbestimmungen für Frauen oder wenn eine unoperierte transsexuelle Person eine Freiheitsstrafe verbüßen muss. Auch im Krankenhaus und bei der Toilettenbenutzung kann es Schwierigkeiten geben.