Transsexualität ist zuallererst eine Selbstdiagnose. Wenn sich die Betroffenen mit ihrer Situation auseinandergesetzt und für einen entsprechenden Weg entschieden haben, werden sie in der Regel mit einer Fülle von psychologischen, sozialen, ökonomischen und vor allem medizinischen und juristischen Fragen konfrontiert, auf die sie eine ganz persönliche Antwort finden müssen.

Definitionen

Betrachtet man die Vielzahl der Internetauftritte und Veröffentlichungen deutscher sowie internationaler Selbsthilfegruppen und Nichtregierungsorganisationen, zeigt sich schnell ein ganzes Spektrum von Selbstbezeichnungen und Definitionen. Während sich ein Teil der Terminologie eng an den medizinischen Diskurs und an das System von zwei klar unterscheidbaren Geschlechtern anlehnt, positionieren sich andere Begrifflichkeiten komplett jenseits aller Kategorisierungen. Begriffe zu finden, die allen Lebensentwürfen und Geschlechtsidentitäten gerecht werden, ist daher naturgemäß schwierig. Wir haben uns deshalb im Folgenden auf jene Begriffe beschränkt, die für das sprachliche Verständnis der Studie relevant sind.

Transsexuelle, transsexuell

verwenden wir im Sinne des TSG als Bezeichnung für Menschen, die von einem der beiden juristischen Geschlechter dem anderen jeweils durch Vornamens- und/oder Personenstandsänderung nach TSG „zugeordnet“ wurden (im Folgenden abgekürzt mit VÄ bzw. PÄ), im Verfahren zur VÄ/PÄ nach TSG befindlich sind oder dieses in Kürze anstreben und die ersten Schritte dafür in die Wege geleitet haben.

Transidente, transident

Manche Betroffene lehnen die Begriffe „Transsexuelle_r“ und „transsexuell“ aufgrund des darin enthaltenen Wortes „sexuell“ ab, da dieses potentiell einen falschen Bezug zur „Sexualität“ bzw. zur „sexuellen Orientierung“ herstellt. Mit dem Begriff „transident“ betonen sie daher den Bezug zur Identität.

Transfrau

Transfrauen haben eine weibliche Geschlechtsidentität (bei vormals zugewiesenem männlichen Geschlecht).

Transmann

Transmänner haben eine männliche Geschlechtsidentität (bei vormals zugewiesenem weiblichen Geschlecht).

Frau/Mann mit transsexueller/transidentischer Vergangenheit

Diese Bezeichnung wählen manche Menschen, für die Transsexualität ein Durchgangsstadium auf dem Weg in ihr Identitätsgeschlecht als Frau oder Mann ist. [1]

Trans*, Trans*Mensch, trans*

Der Querschnitt der Interviews zeigt, dass auch Menschen, die ihre VÄ und/oder PÄ nach TSG durchgeführt haben und daher nach der Definition dieser Studie als „transsexuell“ gelten können, diese Definition für ihre Selbstbeschreibung nicht zwangsläufig als passend empfinden, z.B. dann, wenn sie sich mehr im Dazwischen oder jenseits von Geschlecht verorten. Trans* ist ein recht junger, im deutschsprachigen Raum inzwischen verbreiteter, weit gefasster Oberbegriff, der die Existenz einer Vielfalt von geschlechtlichen Identitäten abbildet. [2]
In NRW findet der Begriff u.a. Verwendung bei der Selbsthilfegruppe und Internetplattform Transfamily (http://www.transfamily.de/).

Transgeschlechtlichkeit, transgeschlechtlich

Vergleichbar mit Trans* beschreibt der Begriff eine Vielzahl geschlechtlicher Identitäten und Ausdrucksweisen jenseits der Zwei-Geschlechter-Norm, ohne auf das medizinische Vokabular zurückzugreifen. [3]

Transphobie

Der Begriff bezeichnet die Furcht vor und/oder die Aversion gegen Menschen, die die Grenzen der Zweigeschlechtlichkeit durch ihre Geschlechtsidentität oder ihren Geschlechtsausdruck überschreiten. Hill und Willoughby definieren Transphobie als ‚emotionale Abscheu‘ gegenüber Individuen, deren Verhalten nicht den gesellschaftlichen Erwartungen im Hinblick auf das für eine Frau oder einen Mann angemessene Verhalten entspricht. [4] Diese Abscheu führt dann (in unterschiedlichem Maß) zu negativen Einstellungen und Vorurteilen, zur Stigmatisierung und Abwertung transgeschlechtlicher Menschen, zur Verleugnung der Existenz von Transsexualität und Trans*Menschen, zur Befürwortung von Diskriminierung und zur Diskriminierung und Gewalt gegenüber Trans*Menschen bzw. transgeschlechtlichen Lebensformen. Transphobie hat wie Homophobie, Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus sowohl eine gesellschaftlich, als auch eine politische Dimension. [5]

Transphobie und die daraus resultierenden Diskriminierungen betreffen allerdings nicht nur transsexuelle Menschen bzw. Trans*Menschen. Sie können alle Menschen treffen, deren Verhalten als im oben genannten Sinn „abweichend“ wahrgenommen wird. So wird etwa ein heterosexueller oder homosexueller „femininer“ Mann, der auf der Straße angepöbelt wird, in der Regel nicht aufgrund seiner sexuellen Orientierung bedroht, sondern aufgrund seines Geschlechtsausdrucks.

Cross-Dressing

Bezeichnet im engl. Sprachraum und innerhalb der Trans*Community das Tragen der spezifischen Kleidung des anderen Geschlechts (im Sinne des Geschlechts, dem man nicht bei Geburt zugewiesen wurde) unabhängig vom jeweiligen Beweggrund.

Transition

Bezeichnet den gesellschaftlichen Übergang von einem juristischen Geschlecht in das andere. Dazu gehören in der Regel sowohl juristische (VÄ und gegebenenfalls PÄ nach TSG) als auch medizinische Maßnahmen (Hormontherapie, geschlechtsangleichende Operationen). Für den Zeitraum, den eine Transition einnimmt, gibt es keine objektivierbaren Kriterien. Nach allgemeinem Sprachgebrauch innerhalb der Community ist die Transition dann zu Ende, wenn der transitionierende Mensch sie für beendet erachtet. Das kann für den einen Menschen bedeuten, dass die Transition nach der VÄ abgeschlossen ist, auch wenn keine weiteren medizinischen Maßnahmen geplant sind. Andere, insbesondere – aber nicht ausschließlich – Transfrauen, können das Gefühl haben, dass die Transition nie zu Ende geht, weil sie von ihrem Umfeld trotz aller Maßnahmen nicht in ihrer Geschlechtsidentität akzeptiert werden. Wann die Transition endet, hängt somit maßgeblich von zwei Faktoren ab: der Innenwahrnehmung der transitionierenden Person und der Reaktion der Umwelt.

Passing

Bezeichnet sowohl das subjektive Gefühl im Alltag in der eigenen Geschlechtsidentität als Frau oder Mann wahrgenommen zu werden, als auch objektivierbare Kriterien, wie beispielsweise die reibungslose Verwendung des richtigen Pronomens und Vornamens durch andere oder die Inklusion in geschlechtsspezifische soziale Kontexte (z.B. kein Themenwechsel in einer Männergruppe, wenn ein Transmann dazu stößt) oder die „richtigen“, gesellschaftlich üblichen Reaktionen des Gegengeschlechts (als Klischee z.B. das Aufhalten der Tür für eine Transfrau). In der Regel erfordert Passing eine gewisse körperliche Angleichung an das gefühlte Geschlecht, wobei der Grad der nötigen Angleichung je nach Region (z.B. Bundesland, ländliche oder städtische Gegend), sozialem und kulturellem Umfeld sehr unterschiedlich ausfallen kann.

Coming-Out

Bezeichnet die bewusste und gezielte Offenbarung der eigenen Geschlechtsidentität gegenüber anderen, in der Regel in Form eines Gesprächs, einer Email, eines Briefs oder anderer Kommunikationsmedien.

Vornamensänderung (VÄ)

Die Vornamensänderung nach § 1 TSG erfordert die Beantwortung der Frage, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden der beantragenden Person zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird. Hierzu holt das Gericht zwei unabhängige psychologische Gutachten ein. Für die beantragende Person bedeutet dies in der Regel zwei bis fünf Termine bei den jeweiligen Gutachter_innen, bei denen intime und in vielen Fällen grenzüberschreitende Fragen nach dem Leben, der „transsexuellen Entwicklung“, der Sexualität und anderen Bereichen gestellt werden. Ziel der Gutachten (wenn auch nicht des TSG) ist die psychiatrische Diagnose Transsexualität (F 64.0 nach ICD-10)

Nach erfolgter Vornamensänderung greift § 5 TSG, das sogenannte Offenbarungsverbot: Die alten Vornamen dürfen dann ohne Zustimmung des Antragstellers nur noch offenbart oder ausgeforscht werden, wenn besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.

Personenstandsänderung (PÄ)

Ursprünglich waren für die Personenstandsänderung drei Dinge notwendig: VÄ nach § 1 TSG, Ehelosigkeit (impliziter Scheidungszwang bei verheirateten Transsexuellen), geschlechtsangleichende Operationen und Unfruchtbarkeit. Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.5.2008 wurde der Zwang zur Ehelosigkeit, im Beschluss vom 11.1.2011 der Zwang zu geschlechtsangleichenden Operationen und zur Unfruchtbarkeit für verfassungswidrig erklärt. Seit dem 11.1.2011 gelten bis auf Weiteres dieselben Bedingungen für die VÄ wie für die PÄ.

Intersexualität/ Intergeschlechtlichkeit, intersexuell/intergeschlechtlich

Intergeschlechtliche Personen sind Menschen, die sich im Hinblick auf ihr chromosomales, gonadales oder anatomisches Geschlecht nicht in die medizinische Norm männlicher und weiblicher Körper einordnen lassen.

Der medizinische Begriff DSD – Disorders of Sex Development (Störung der geschlechtlichen Entwicklung), der 2006 als Oberbegriff für verschiedene „intersexuelle Syndrome“ etabliert wurde, suggeriert mit dem Begriff der „Störung“, dass einige Variationen menschlicher Körper vermeintlich normaler und somit wünschenswerter sind als andere. Körper, die diese Norm nicht erfüllen, gelten aus dieser Perspektive als untypisch und gestört. Als eine Folge dieser Perspektive werden „falsch ausgebildete“ Genitale bereits im Kleinkindalter bzw. kurz nach der Geburt operativ „korrigiert“. Aus Sicht intersexueller Aktivist_innen ist dies nicht menschenrechtskonform.
[6]

Intersexuelle Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht dem Geschlecht entspricht, das man ihnen bei Geburt zugewiesen hat, wählen oft den Weg nach TSG um ihren Vornamen und Personenstand zu ändern.

  • [1] Franzen, Jannik; Arn Sauer (2010): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben. Expertise im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, S. 10.
  • [2] Vgl. Franzen, Jannik; Arn Sauer (2010): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben. Expertise im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, S. 7 und Fußnote 8.
  • [3] Vgl. Franzen/Sauer (2010), S. 9.
  • [4] Vgl. Hill, D.; Willoughby, B. (2005): The Development and Validation of the Genderism and Transphobia Scale‚ S. 533.
  • [5] Vgl. a. Kummer, Merit (2011): Problembeschreibung Transpobie, S. 4.
  • [6] Vgl. die Pressemitteilung des 1. International Intersex Organisation Forums (Brüssel, 3.-5. September 2011), vgl. (Zugriff: 2.3.2012, 17:49).