Pressearchiv
12. September 2012
Am 11. September 2012 hat das BSG für den Brustaufbau bei MzF-Transsexuellen entschieden, dass transsexuelle Versicherte einen Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern. „ Der Anspruch ist nicht bereits ausgeschlossen, wenn nach dem Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag keine Entstellung besteht. Wer aber als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Normalgröße A (DIN EN 13402) voll ausfüllt, kann keine Operation beanspruchen. Sein erreichtes körperliches Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.“ (BSG S 12 KR 3/09)
15. Mai 2012
Auf der Fachtagung rund um die Lebenslagen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*- und Inter*-Menschen (LSBTTI), die am 10. Mai 2012 in Bochum stattfand, wurde die Studie zur Lebenssituation transsexueller Menschen in NRW vorgestellt, die im Rahmen der Erarbeitung von Empfehlungen für einen NRW-Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurde. Diese gibt als erste empirische Studie einen Einblick in die aktuelle Situation und Lebensvielfalt dieser Menschen. Für die Studie wurden 30 Interviews geführt und 68 Fragebögen mit insgesamt 89 Fragen zu 13 Themengebieten ausgewertet. Erfasst wurden insgesamt 98 Personen. Seit 1999 wurden in NRW ca. 2521 Verfahren nach TSG (VÄ oder PÄ) durchgeführt.1 Die Stichprobe umfasst also mindestens 3 % der transsexuellen Menschen in NRW.
28. Januar 2011
Wegweisender Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum TSG
Karlsruhe: Das BVerfG hat am 11. Januar 2011 beschlossen (1 BvR 3295/07), dass die in § 8 Abs. 1 Nr. 3 & 4 Transsexuellengesetz (TSG) geforderte geschlechtsangleichende Operation und Sterilisation gegen den eigenen Willen des/der Transsexuellen eine nicht gerechtfertigte Verletzung der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs.1 GG) darstellt.
Das BVerfG hatte die Frage zu klären, ob es gegen die Werteordnung des Grundgesetzes verstößt, dass ein Transsexueller dessen Vorname bereits geändert wurde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Transsexuellengesetz ), zur rechtlichen Absicherung seiner gleichgeschlechtlichen Partnerschaft eine eingetragene Lebenspartnerschaft lediglich begründen kann, wenn er sich einem geschlechstangleichendem operativen Eingriff unterzogen hat und dauernd fortpflanzungsunfähig ist.
Wie bereits ergangene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zeigten, entspricht das aktuelle TSG nicht mehr den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die nach dem heutigen wissenschaftlichen Stand anzulegen sind. Wie das BVerfG wiederholt ausführte kann ein Mensch transsexuell sein, ohne eine geschlechtsangleichende Operation zu wünschen. Nach geltendem Recht wurde diesem aber bislang die personenstandsrechtliche Anerkennung versagt, sodass diesem der Zugang zu einer Änderung des Geschlechtseintrags verwehrt ist. Hierdurch war es auch nicht möglich eine - dem tatsächlichen Empfinden entsprechende - rechtlich abgesicherte Partnerschaft, nämliche eine Ehe oder Lebenspartnerschaft einzugehen, was im Ergebnis zu einem Zwangsouting führte.
Nun hat das BVerfG die notwendigen Konsequenzen gezogen, dass es grundsätzlich keine Gründe (mehr) für eine unterschiedliche personenstandsrechtliche Behandlung von Transsexuellen mit oder ohne geschlechtsangleichender Operation gibt. Damit entfällt auch die Legitimation für den Gesetzgeber Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit als Voraussetzung dafür vorzuschreiben, einer Person den für sie richtigen Personenstand zusprechen zu können. Einer solchen Legitimation bedarf es, denn der Anspruch auf einen mit der empfundenen Geschlechtlichkeit übereinstimmenden Personenstand ist ebenfalls grundgesetzlich geschützt.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20110111_1bvr329507.html